Wenn die Zähne wackeln,
ist das Kind schulreif.

Es zeigt sich, wie sich gleichsam eine Kraft durch den Körper ringt, ihn durchruckelt, und frei wird – das Kind verlangt nach anderem Lernen.

Unsere Schüler*innen erwartet in der Unterstufe ein strukturierter Ablauf. Nachdem die Schüler*innen durch die/den Klassenlehrer*in mit Handschlag und Blickkontakt bewusst begrüßt und wahrgenommen wurden, beginnt für alle der Hauptunterricht. Zuerst wird gemeinsam der Morgenspruch aufgesagt, danach gestalten die Kinder anhand des Lehrstoffs nach und nach ihre Epochenhefte oder finden durch Sprache, Musik und Bewegung ihren individuellen und gemeinsamen Rhythmus. Dem Hauptunterricht folgt der Fachunterricht. Auch hier wird durch Sprache, Musik und Bewegung dem Nachahmungsdrang genüge getan und die Lerninhalte mit allen Sinnen aufgenommen und begriffen.

Seit dem Schuljahr 2021/22 werden die Klassenlehrer*innen und die Schüler*innen in den ersten vier Schuljahren durch Klassenhelfer*innen unterstützt. Das Pilotprojekt „Klassenhelfer*in“ ist noch in der Probephase – es wird noch entwickelt, doch lässt sich schon beobachten, dass es dem Schulalltag mehr Leichtigkeit bringt.

1. bis 4. Klasse

1. Klasse: Fantasie

Märchen als „Seelennahrung“

gpointstudio, 123rf.com

Noch lebt das Kind im Willensmäßigen, in der Bewegung, im Tun; die Nachahmung, das „Lernmittel“ der ersten sieben Jahre wirkt noch nach. Gefühls- und Empfindungsbereich werden zunehmend angesprochen, dafür ist das Kind jetzt am empfänglichsten; das Lernen macht ihm naturgemäß Freude und was es mit Freude lernen kann, womit es sich verbinden kann, lernt das Kind am besten. Die Fantasiekräfte werden angeregt indem alles bildhaft und lebendig vor das Kind hingestellt wird, so kann es das zu Lernende anschauend aufnehmen und innerlich nachbilden.

Leib- und Seelenempfinden müssen gesund entwickelt sein, bevor die intellektuellen Fähigkeiten ausgebildet werden. Ist das Kind in seinen Bewegungen sicher, gewinnt es auch an Sicherheit im sozialen Bereich.

Es muss also noch viel in Bewegung sein: Rhythmus und Takt in Reimen, Gedichten und Liedern ist täglich fester Bestandteil des Unterrichts. Die Märchen als „Seelennahrung“ gehören ebenso täglich dazu.

 

In der allerersten Unterrichtsstunde malen die Erstklässler die Gerade und die Krumme – die Urformen aller Formen und Zeichen. Das Formenzeichnen als erste Epoche ist Vorbereitung zur Erfassung von Buchstaben und Zahlen. Durch die großflächig mit Wachsblöcken gemalten Formen kommen die Kinder in die Linienbewegung. Im ersten Schuljahr lernen sie alle Großbuchstaben. Jeder Buchstabe wird aus einem Bild geholt, z. B. Fisch – F oder Welle – W.

Im Rechnen werden die vier Grundrechenarten im Zahlenraum bis 20 durchgenommen, dabei vom Ganzen in die Teile gehend; also z. B. die Addition von der Summe ausgehend, die Multiplikation vom Produkt usw. so wie für das Kind dem Empfinden nach die Welt ein Ganzes, eine Einheit ist, in der man die Teile erst entdeckt. Laufend, klatschend, springend werden die Reihen geübt.

Bereits ab der ersten Klasse lernen die Kinder Englisch und Französisch. Hörend, sprechend, singend wird in den drei ersten Schuljahren die Sprache erlernt. In Gedichten, Reimen, Fingerspielen, Liedern und Märchen tauchen die Kinder in den Klang, den Rhythmus und die Melodie der fremden Sprache ein.

Im Handarbeitsunterreicht stricken die Kinder einen Ball. Es geht zunächst darum, in den Fluss des Strickens zu kommen, das Stricken der rechten Maschen zu erlernen, so dass es eben „rund“ läuft.

2. Klasse: Tiere

Ich + Du: Moralisches Empfinden

????? ???????, 123rf.com

Himmel und Erde. Gut und Böse. Das Eins-Sein mit der Welt wird allmählich zur Zweiheit, das Ich erfährt das Du. Die Klassengemeinschaft bildet sich. Anstelle der Märchen werden nun Tierfabeln und Legenden erzählt.

Die Kinder verstehen die Tiere am besten, wenn sie menschlich handeln. Als Ergänzung dienen die Legenden; sie sprechen den nach Vollkommenheit strebenden Menschen an. Moralisches Empfinden wird angelegt.

Die ersten drei Schuljahre haben, bedingt durch die Entwicklung in dieser Lebensphase, ein einheitliches Gepräge. Was begonnen wurde, wird weitergeführt und vertieft; nur weniges kommt hinzu.

 

Im Formenzeichnen werden symmetrische Spiegelformen gemalt. Die großen Buchstaben bekommen kleine Brüderchen und Schwesterchen. Bekanntes wird geschrieben, an der Tafel wird anfänglich und behutsam Lesen geübt. Eventuell wird gegen Ende des Schuljahres mit der Schreibschrift begonnen. Im Rechnen wird der Zahlenraum auf 100 erweitert. Dabei wird besonderen Wert auf das Kopfrechnen und das Auswendiglernen des Einmaleins gelegt, wie überhaupt das Gedächtnis in diesem Lebensalter ausgebildet und gepflegt wird. Rhythmisch und taktmäßig wird aus der Bewegung heraus das Lernen unterstützt.

Die Fremdsprachen werden vertrauter indem  sie weiterhin hauptsächlich gemeinsam rhythmisch gesprochen werden. Sprechen und Bewegung sind eng verknüpft und erleichtern das Lernen. Gedichte, Reime, Lieder, Spiele werden stets oft wiederholt. Grammatisches wird ebenso rhythmisch mit Händen und Fingern gesprochen, noch ohne Erklärung. Auf diese Weise lernen die Kinder einen vielfältigen Wortschatz und eine Vielzahl von grammatischen Strukturen unbewusst kennen.

Im Handarbeitsunterricht wird ein erstes Gebrauchsstück gestrickt: der Flötenbeutel, den die Kinder vorher malerisch-farblich entworfen haben.

3. Klasse: Handwerk & Hausbau

Den Rubikon überschreiten

soleg, 123rf.com

Der Rubikon: Ein wichtiger Einschnitt in der Entwicklung des Kindes, den es zu berücksichtigen gilt. Der Zusammenhang mit der Welt löst sich, die verlorene Einheit mit der Welt empfinden sie deutlich. Fragen nach dem Sinn des Lebens und nach dem Tod tauchen auf, vielleicht verbunden mit einer gewissen Ängstlichkeit. Die Kinder werden kritisch, sogar frech – „Hältst du die Regeln selbst ein, die du von mir verlangst?“. Aber die Kinder spüren auch, dass sie nicht allein sind und die Hilfe der anderen brauchen, ein Wir-Gefühl erwacht.

Jetzt ist die Schöpfungsgeschichte dran, die Vertreibung aus dem Paradies – Bilder auch dafür, wo die Kinder entwicklungsmäßig stehen. Adam und Eva erfahren die irdischen Mühen: Sie müssen sich eine Hütte bauen, die Erde beackern, Handwerke erlernen.

In der Hausbauepoche wird auf dem Schulgelände ein Mauerprojekt oder ähnliches durchgeführt. Die ganze Klasse ist beteiligt beim Erde ausheben, Beton mischen, Fundament gießen, Mörtel anrühren und Stein auf Stein setzen. Zuhause darf jedes Kind selbst ein kleines Haus bauen.

Im Schulgarten oder bei einem Landwirt in der Nähe wird gemeinsam ein Stück Land gepflügt, geeggt, das Korn wird ausgesät. Monate später wird es geerntet und gemahlen und schließlich Brot daraus gebacken. Handwerksbetriebe werden besucht.

Im Rechnen werden Maße und Gewichte durchgenommen; gerechnet wird jetzt im Zahlenraum bis 1.000.

Die Schreibschrift wird erlernt und es wird erstmals mit Füller geschrieben. Lesen wird geübt. Erste Grammatik betrieben: Wortarten, Satzzeichen, Artikel, Einzahl und Mehrzahl.

Auch in den Fremdsprachen gibt es nun kurze Übungsphasen mitausgewählter einfachen Grammatik und dem Wortschatz. Durch die Grammatik weckt man ein leises Bewusstsein davon, was Kinder instinktiv üben. Wort und Wortsinn sind in dieser Altersstufe noch nicht getrennt; das Erlernen der fremden Sprache ist noch weitgehend unreflektierte Gewohnheit und Nachahmung.

Auch im Handarbeitsunterreicht kommt das Schutzbedürfnis zum Tragen: die Kinder stricken sich eine Mütze. Das Stricken der linken Maschen wird erlernt. Rechte und linke Maschen im Wechsel, zwei Kräfte im Widerstreit, erste Distanz der Welt gegenüber.

4. Klasse: Orientierung

Wer bin ich? Wo ist mein Platz?

oksix, 123rf.com

Die Kinder schauen sich um in der Welt, betrachten die sie umgebende, jetzt gegenüberstehende Welt und beginnen sich zu orientieren.

Wo befinde ich mich? Wo ist mein Platz? Das Ich-Bewusstsein stärkt sich merklich, das Seelenleben wird innerlicher und unabhängiger.

Erzählt und gelesen werden die germanische Mythologie, z. B. Kalewala, und die Heldensagen. Stabreime werden gesprochen. Flechtbänder werden gemalt, wobei die Kreuzungspunkte besonders herausgearbeitet werden.

In der Heimatkunde lernen die Kinder die Himmelsrichtungen kennen. Von außen nach innen, über Kontinente und Länder finden sie ihre Heimat Braunschweig. Die Stadt und ihre Umgebung lernen sie geographisch und in ihrem geschichtlichen Werden kennen. Große historische Ereignisse werden dabei herausgegriffen. Mit einer mehrtägigen Wanderung wird Braunschweig auch zu Fuß erkundet.

Die von den Kindern neu gewonnene Objektivität macht sie reif für die Menschen- und Tierkunde. Jetzt können sie objektiv und erkennend betrachten, was ihnen gegenübergestellt wird. Die Tierwelt wird immer in ihrer besonderen Beziehung zum Menschen angeschaut. Einzelne Tiere werden in ihrer Organisation besprochen und mit der menschlichen verglichen, z. B. der Adler (Kopf, Freiheit des Denkens), die Kuh (Verdauung) und dazwischen der Löwe (Rhythmus). Ein Gefühl dafür wird entwickelt, wie der Mensch die ganze Tierwelt harmonisch in sich vereint.

Jedes Kind bereitet ein kleines Referat über ein Tier seiner Wahl vor, formuliert und gestaltet es im Heft selbst und trägt es der Klasse vor.

In der Schreibepoche wird die Sprache in ihrem Aufbau und in ihrer Gliederung bewusst gemacht. Zuerst sind die Tätigkeitswörter an der Reihe, da sie den Kindern am nächsten sind. Über die Veränderung der Tätigkeitswörter wird ihnen eine Vorstellung der Zeiten nahegebracht. Auf genaues Artikulieren wird geachtet um über das Hören die Schreibform herzuleiten. Diktate werden geschrieben. Mit einer ersten Lektüre wird das Vorlesen gepflegt.

Auch im Rechnen gliedert sich die Einheit in Teile: jetzt lernen die Kinder Brüche in Zahlen und Kommazahlen kennen. Das große Einmaleins wird geübt.

In den Fremdsprachen rückt die geschriebene Sprache in den Vordergrund. Das zuvor mündlich Dargestellte oder auswendig Gelernte wird nun geschrieben und das Lesen geübt. Eine erste Lektüre wird gelesen, wobei es vorerst genügt, den Sinn im Allgemeinen zu erfassen. Einzelne Wörter sollen schon gemerkt werden, die in der nächsten Stunde abgefragt, d. h. geschrieben werden.

Im Handarbeitsunterricht ist der Kreuzstich dran. Eine Tasche wird nach eigenen Entwürfen bestickt. Im Farbverlauf von dunkel nach hell, in einer Rechts-links Symmetrie. Die eine Hand weiß, was die andere macht.

Projekte & Co

Telefon

Sie erreichen uns
Mo, Di, Do: 8 – 14 Uhr
Fr: 8 – 10 Uhr

+49 531 28 60 30

Unsere Mensa wird durch Biond betrieben:

www.biond.de/sp/waldorfschule-braunschweig

Adresse

Freie Waldorfschule Braunschweig e.V.
Rudolf-Steiner-Straße 2
38120 Braunschweig

Standort anzeigen in
Google Maps