Topthemen
Aus dem Unterricht
Gartenbau: Jungpflanzen für das neue Klima
Das neue Gartenjahr steht vor der Tür und will sorgfältig geplant werden. Vorausschauendes Planen ist notwendiger denn je, da die Bedingungen für das Gedeihen der Pflanzen immer stärker variieren. Das Klima verändert sich zunehmend, Wetterextreme wie Dürre oder Starkregen nehmen zu.
Letzten Sommer haben uns die Folgen des zu milden Winters in Gärten hart getroffen. Die Schnecken! Jede*r Gärtner*in hatte die wildesten Geschichten über die Schnecken zu erzählen. Die Schneckenpopulation hat gigantische Ausmaße erreicht, weil im Sommer auch noch ein zu feuchtes Klima vorherrschte. Die Niederschlagsmengen in Braunschweig waren im Jahr 2024 um 10 % höher als das langjährige Mittel. In diesem Frühjahr erleben wir wieder ein Extrem: Es ist viel zu trocken und viel zu warm.
Doch wie begegnet man dieser Herausforderung, die Pflanzen so auszuwählen, dass am Ende des Gartenjahres keine großen Einbußen eintreten? Eine gute Planung beginnt an der Basis: dem Boden. Ob ein Boden humusreich und somit fruchtbar ist, lässt sich an seiner Farbe erkennen. Grundsätzlich gilt: Je dunkler der Boden, desto höher ist der Humusgehalt. Ein humoser Boden speichert Nährstoffe und Wasser besonders gut. Ein solcher Boden erodiert nicht so leicht durch Wind oder Wasserabtrag und verschlämmt nicht bei Überschwemmungen.
Ein magerer Boden ist in seiner Färbung eher hell. Dieser Boden eignet sich besonders gut für den Anbau heimischer Blumen und Kräuter. Wilde Blumen sehen nicht nur hübsch aus, sondern sind auch die besten Nahrungsquellen für Insekten. Sowohl heimische Pflanzen als auch Insekten sind vom Aussterben bedroht. Ausgerechnet die Hälfte der heimischen Pflanzen, die an magere Böden angepasst sind, stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Zu diesem Ergebnis ist das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig gekommen. Die Ergebnisse der Studie wurden in einem nützlichen Tool, der Shiny App (conservation-gardening.shinyapps.io/app-de/), allen zugänglich gemacht. Diese App unterstützt den neuen Gartentrend, das Conservation Gardening, das darauf abzielt, die lokale Biodiversität zu fördern. Unter Berücksichtigung Ihrer individuellen Standortbedingungen werden in der App geeignete Pflanzen ausgewählt.
Auf dem schuleigenen Pflanzenmarkt sind heimische Blumen als Jungpflanzen erhältlich. Sie sind bestens an die regionalen Niederschlagsmuster angepasst und trotzen Wetterextremen deutlich besser. Krankheiten und Schädlinge stellen kaum eine Gefahr dar, da die Pflanzen über Jahrhunderte hinweg natürliche Abwehrmechanismen im lokalen Ökosystem entwickelt haben. Viele Arten besitzen zudem tiefreichende Wurzeln, die ihnen Zugang zu Wasser aus tieferen Bodenschichten ermöglichen. Gleichzeitig wird dabei der Boden gelockert.
Auf dem Jungpflanzenmarkt werden unter anderem Wildblumen angeboten, wie die Acker-Ochsenzunge (Anchusa arvensis) und die stark gefährdete Gewöhnliche Kornrade (Agrostemma githago), beide haben tiefreichende Pfahlwurzeln. Der Gewöhnliche Feldrittersporn (Consolida regalis) bildet eine Wurzel, die bis zu 50 cm tief reicht. Genauso tief reicht auch das Herzwurzelsystem der Färberkamille (Anthemis tinctoria), die als Nährpflanze für 72 Wildbienenarten einen großen Mehrwert für unsere Ökosysteme hat. Im Angebot sind noch 10 weitere heimische Blumen, die durch genetische Anpassung an das lokale Ökosystem den Wetterextremen besser standhalten können und die Biodiversität fördern.
Dennoch muss man bei einem Wildblumenbeet aufpassen, dass keine konkurrenzstarken Pflanzen sie verdrängen. Im Schulgarten wurde vor 6 Jahren eine Blumenwiese mit 50 verschiedenen Arten mit heimischen Wildblumen angelegt. Nach 5 Jahren hat die Kanadische Goldrute Solidago canadensis um die 70 % des Beetes eingenommen. Von den 50 Arten waren nur noch 5 übrig. Hier kann man aber auch sehr gut die negativen Auswirkungen eines invasiven Neophyten, in diesem Fall die Kanadische Goldrute, sehen. Dieses Jahr breitet sich der Neophyt Goldferberich (Lysimachia punctata) massiv in einem Beet im Schulgarten aus.
Die Staudenbeete im Schulgarten werden seit Jahren bienenfreundlich und klimaresilient umgestaltet. Das ist ein schwieriges Unterfangen und nach acht Jahren kann ich Ihnen die Pflanzen vorstellen, die es wert sind, sie anzubauen, weil sie robust sind und unseren Insekten Nahrung bieten. Im Staudenbeet am Gewächshaus haben der Blutweiderich (Lythrum salicaria), der Kandelaber-Ehrenpreis (Veronicastrum virginicum), die Fetthenne (Sedum spectabile) und andere Dickblattgewächse sowie der Flammenblume (Phlox paniculata) die letzten Jahre unbeschadet überstanden haben. Ganz anders sieht es im Staudenbeet vor den Buchsbaumbeeten aus. In den letzten Jahren konnte ich zusehen, wie die Stauden Präriemalve, Glockenblume, Zwergastern und Katzenminze, sich in trockenen Jahren gut entwickelten und in feuchten Jahren zurückgingen. Bis sie im letzten feuchten Sommer ganz verschwunden waren. Verlässlich und bienenfreundlich hingegen zeigen sich die offenblühenden Rosen.
Fachlich komplizierter ist das Thema Klimaresilienz im Nutzgarten, weil Krankheiten und Schädlinge an den Pflanzen auftreten. Deren Folgen sind schwerwiegender als im Ziergarten.
Im Januar 2022 hatte ich die Gelegenheit während der Gartenbaulehrertagung der Waldorflehrer*Innen bei Hans-Joachim Bannier an einer Schulung über nachhaltigen Apfelanbau teilzunehmen. Er ist der führende Experte für Apfelsorten in Deutschland. Auch wenn es drei Jahre her ist, ist meine Begeisterung für diese geniale Persönlichkeit kein bisschen abgeklungen. Nun habe ich ja auch Obstbau im Gartenbaustudium gelernt. Im Praxissemester war ich beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz. Im Studium und bei FiBL war ein großes Thema, wie man Kupfereinsatz im Kernobstbau vermeiden kann. Kupferhydroxid ist ein Pflanzenschutzmittel, dass in der ökologischen Landwirtschaft zugelassen ist und vorbeugend gegen Pilzkrankheiten eingesetzt wird. Häufiger Einsatz schadet aber der Regenwurmpopulation und weiteren Organismen. Bei Kulturpflanzen sind Pilzkrankheiten oft auf eine zu hohe Luftfeuchtigkeit zurückzuführen. Es treten aber auch andere Pilze vermehrt auf, wenn es zu trocken ist. Im Kernobstbau kommt noch die Gefahr der Spätfröste für die Blüte hinzu. Im letzten Jahr ist die Apfelernte laut dem Statistischen Bundesamt um 12,4 % geringer ausgefallen als der zehnjährige Durchschnitt. Lokal gab es bis zu 90 % Ernteausfälle, die auf die Witterungsverhältnisse zurückzuführen sind.
Neben den witterungsbedingten Herausforderungen, den eine Apfelsorte trotzen muss, möchte man dann auch noch einen leckeren Apfel haben, der gute Erträge hat und gut lagerbar ist. Wie soll man das hinkriegen, wenn das Klima so unberechenbar ist? Während im Jahr 2016 Prof. Urs Niggli, Leiter von FiBL von 1990-2020, Gentechnik als einzige Lösung gegen Pilzkrankheiten propagierte, hatte Hans-Joachim Bannier eine bessere Lösung und die lautet: genetische Vielfalt bei den Sorten. Jede Apfelsorte, die Sie heutzutage im Geschäft kaufen können, enthält das genetische Material von einer oder mehrerer der fünf Sorten: 'Golden Delicious', 'Jonathan', 'McIntosh', 'Red Delicious' und 'Cox Orange'. Allesamt Sorten, die stark anfällig für Pilzkrankheiten wie Schorf und Mehltau sind. Die Folgen sind genetische Verarmung und neue Sorten, die auch, wie soll es auch anders sein, anfällig für Krankheiten sind, wie z.B. 'Jonagold' als Kreuzung aus 'Golden Delicious' und 'Jonathan'. Bei neuen Sorten, die gezielt auf bestimmte Resistenzen gezüchtet worden sind, gab es nach einigen Jahren Durchbrüche der elterlichen Gene der fünf genannten Sorten und somit wieder Pilzerkrankungen.
Im Apfelanbau kann eine Anlage, die eine Vielfalt an alten Sorten enthält, unterschiedlichen Witterungsbedingungen standhalten, weil die Sorten zu unterschiedlichen Zeiträumen blühen und somit bei Spätfrösten nicht alle Blüten auf einmal abfrieren und weil die Sorten unterschiedliche Resistenzen aufweisen. So können Wetterextreme einzelnen Sorten schaden, aber nicht allen. Totalausfälle werden somit vermieden.
Diese Strategie lautet: Einsatz von alten Sorten und von vielen unterschiedlichen Sorten. Alte Sorten, also bewährte Sorten, die mehrere hundert Jahre alt sind, können gegen viele Pilzkrankheiten Resistenzen aufweisen. Lässt sich diese Strategie auf den Gemüsebau übertragen. Die Antwort lautet ganz klar Nein, weil tierischen Schädlingen die genetisch bedingten Resistenzen gegen Pilzkrankheiten egal sind.
Letzte Gartensaison hatte ich 66 alte Gemüsesorten beim Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen, kurz VERN e.V., bestellt. Die einzige Gemüsepflanze, die den Schneckenangriff im Freiland überstanden hat, war der Popcorn-Mais aus eigener Vermehrung. Im Gewächshaus haben es die Paprika der Sorte 'Liebesapfel', die Chili de Cayenne und die Wildgurken geschafft, den Schneckenangriff zu überstehen. Im Gewächshaus als auch im Freiland erlabte sich auch noch die Raupe des Kohlweißlings an den jungen Blättern von Kohlgewächsen.
Die Gründe für das Überleben dieser Pflanzen sind in der Botanik zu finden. Die Wildgurken hatten feine Stacheln, die die Schnecken abhielten. Die Maispflanzen waren bereits 50 cm hoch, als sie ins Beet gepflanzt wurden. Die Blätter waren somit weiterentwickelt und enthielten mehr Lignin, der Stoff, der die Zellwende besonders fest macht. Paprikapflanzen enthalten Cynaroside, ein Stoff, der die Schnecken abwehrt, und beim Chili, kann man sich selber denken, dass der Capsaicin, die Schärfe, die Schmerzrezeptoren aktiviert.
Alle genannten Sorten sind auch dieses Jahr beim Jungpflanzenmarkt mit dabei. Die Auswahl an Sorten beim Gemüse ist dieses Jahr geringer. Dafür sind es besonders robuste Pflanzen. 90 % der angebotenen Pflanzen tragen im Gewächshaus das Logo Klimaheld. Es sind alte Nutzpflanzensorten mit dabei, die auch zum Teil auf der Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen stehen. Es gibt aber auch moderne Sorten, die für den Bio-Anbau gezüchtet worden sind. Sorteninformationen können Sie vor Ort lesen. Jede Sorte ist mit einem QR-Code versehen, der zur detaillierten Sortenbeschreibung führt.
Unsere Klimahelden
An dieser Stelle werden die besonderen Eigenschaften im Hinblick auf Klimaresilienz einiger ausgewählter Sorten vorgestellt.
Die Tomaten leiden besonders unter einem feuchten Klima. Der Pilz Phytophthora infestans, der die Krankheit Kraut- und Braunfäule verursacht, tritt dann am häufigsten auf. Die Sorten 'Dorenia' und 'Black Plum' sollen besonders robust gegen diese Krankheit sein. Unter den Cherry-Tomaten ist die Sorte 'Primabella' der wahre Klimaheld im letzten, sehr feuchten Sommer im Schulgarten gewesen. Während andere Tomatensorten im Freiland schon längst voller brauner Flecken waren oder von Schnecken vernichtet wurden, wuchs 'Primabella' kraftvoll weiter und trug bis in den Herbst leckere Früchte. Die wilde Tomate 'Rote Ribisel' bildet kirschgroße Früchte, kommt mit wenig Wasser und ist nicht anfällig für die Kraut- und Braunfäule.
Der Romanasalat 'Kaiser Selbstschluß' steht auf der Roten Liste und bietet auch in trockenen Jahren stabile Erträge. Die alten Kopfsalatsorten 'Kopfsalat Brauner' und 'Goldforellen' sind ebenfalls gefährdet und zählen aufgrund der genetischen Anpassung ebenfalls zu den Klimahelden.
Bei den Gurken sind Sorten dabei, die Toleranzen gegenüber Pilzkrankheiten und schwierigen Umweltbedingungen aufweisen: 'Tanja', 'Arola', 'Marketmore' und eine Wildgurke.
Drei Kürbissorten haben sich in den letzten Jahren im Schulgarten bewährt. Der Hokkaido Typ 'Red Kuri' ist bekannt für gute Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Klimabedingungen und bringt auch in weniger optimalen Lagen noch ausreichend große Früchte. Der Butternut-Kürbis 'Nutterbutter' ist robust gegen den Pilz Echter Mehltau, der bei trockenem Wetter bevorzugt bei Kürbisgewächsen auftritt. Der Acorn-Kürbis 'Table Queen' ist eine sehr alte Sorte, die bereits von indigenen Völkern angebaut wurde. Der Geschmack ist süß und nussig. Im Gegensatz zu anderen Kürbissen hat dieser Kürbis einen geringen Wasserbedarf, was den widerstandfähiger gegenüber Trockenheit macht.
Zu bewährten Sorten bei Kohlgewächsen zählt der Grünkohl 'Lerchenzunge', eine traditionelle norddeutsche Sorte. Die französische Spitzkohlsorte 'Chateau Renard' wurde bereits im Mittelalter angebaut. Auch der Brokkoli 'Coastal' ist eine alte und besonders robuste Sorte. Da er zu den offenblühenden Sorten gehört, kann er sich durch natürliche Selektion selbst weiterentwickeln. Der Rosenkohl 'Viel und Fest' zählt ebenfalls zu den ältesten Sorten. Die Kohlrabisorte 'Superschmelz' hingegen zeichnet sich besonders durch ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Trockenheit und Temperaturschwankungen aus.
Alte Sorten bei Nutzpflanzen haben eine größere genetische Breite, was es ihnen ermöglicht, sich besser an unterschiedliche Bedingungen anzupassen. Wenn man dabei noch allgemeingültige Empfehlungen beachtet, darf man sich über eine reiche Ernte freuen. Für den Obst- und Gemüseanbau gelten folgende Grundsätze:
- Die Boden-, Licht- und Wärmeansprüche der Pflanzen beachten
- Sich an Fruchtfolgetabellen orientieren
- Pflanzen mechanisch gegen Schädlinge schützen, z.B. mit Vlies oder Zäunen
- Auf alte oder bewährte Sorten zurückgreifen
- Ausgewogen und biologisch düngen
- Bei starker Sonneneinstrahlung nicht gießen
Bei Hobby-Gärtnern beliebt, aber aus meiner Sicht wenig effektiv, sind Pflanzenstärkungsmittel wie Pflanzenjauchen oder Effektive Mikroorganismen.
Sie haben die Möglichkeit, unsere Klimahelden bis zum 23.05.2025 auf dem Jungpflanzenmarkt günstig zu erwerben. Für erfolgreiches und klimaangepasstes Gärtnern sind neben den richtigen Pflanzen auch der Boden essenziell. In einer der nächsten Mittwochs-Ausgaben wird dieses wichtige Thema ausführlich behandelt.
Viele Grüße, Maria Störrle